24April

Von Brillen und Zeigefingern

Von Brillen und Zeigefingern

Endlich war der Frühling in Deutschland angebrochen, und ein in unseren Breitengraden ohnehin seltener Gast – die Sonne – hatte sich vom Winterschlaf erholt und zeigte sich gnädig. Prompt funktionierten meine zuvor etwas dösigen Gehirnzellen wieder einwandfrei und schmiedeten wilde Urlaubspläne.

Nur wenige Sonnenstrahlen später hatte es mich nach Amerika verschlagen, wo ich nun diese Zeilen tippe – exklusiver Korrespondenten-Bericht sozusagen! Schon vor dem Abflug war ich sehr gespannt darauf, welche Unterschiede ich feststellen würde, um euch davon zu berichten. Deshalb spazierte ich auch sofort nach meiner Ankunft in eine riesengroße Mall, um Essen einzukaufen. Ich kann euch sagen, es herrschte eine so große Auswahl von einfach allem, dass ich total angenervt am liebsten gleich wieder gegangen wäre. Inzwischen bin ich mir sicher, dass ich hier über kurz oder lang kläglich verhungern würde, weil es mir zu blöde ist, zwischen 4.957 Sorten Brot, Wurst und Käse zu entscheiden.

Endlich war der Frühling in Deutschland angebrochen, und ein in unseren Breitengraden ohnehin seltener Gast – die Sonne – hatte sich vom Winterschlaf erholt und zeigte sich gnädig. Prompt funktionierten meine zuvor etwas dösigen Gehirnzellen wieder einwandfrei und schmiedeten wilde Urlaubspläne.

Nur wenige Sonnenstrahlen später hatte es mich nach Amerika verschlagen, wo ich nun diese Zeilen tippe – exklusiver Korrespondenten-Bericht sozusagen! Schon vor dem Abflug war ich sehr gespannt darauf, welche Unterschiede ich feststellen würde, um euch davon zu berichten. Deshalb spazierte ich auch sofort nach meiner Ankunft in eine riesengroße Mall, um Essen einzukaufen. Ich kann euch sagen, es herrschte eine so große Auswahl von einfach allem, dass ich total angenervt am liebsten gleich wieder gegangen wäre. Inzwischen bin ich mir sicher, dass ich hier über kurz oder lang kläglich verhungern würde, weil es mir zu blöde ist, zwischen 4.957 Sorten Brot, Wurst und Käse zu entscheiden. Das finde ich zum einen schlichtweg absurd, zum anderen bin ich daran nicht gewöhnt und somit maßlos überfordert. Als ich also verstört zwischen den Regalen umherrannte auf der Suche nach den Zutaten für ein stinknormales Abendessen, erblickte ich Entsetzliches. Erst traute ich meinen Augen nicht, aber da saßen doch tatsächlich – nennen wir sie einfach mal – überübergroße Menschen in Mini-Fahrzeugen und cruisten damit einkaufend durch die Mall, ohne sich auch nur im Geringsten bewegen zu müssen. Waaas? Echt jetzt?

Eigentlich sollten da drin doch, wenn überhaupt, weniger raumgreifende Menschen sitzen, und die Big-Size-Shopper sollten durch die Einkaufslandschaft joggen, um wenigstens auf diese Weise ein wenig zu trainieren. Wer zum Geier denkt sich so etwas Bescheuertes aus? Da steige ich quasi direkt aus dem Auto in das Mini-Gefährt und düse durch den Laden, nur um meinen Hintern dann gleich wieder in einen Mega-Jeep zu parken. Unfassbar für mich. Ach ja, und dann hörte ich auch noch eine dieser mächtigen Mütter mächtig wütend ihren Gatten anschreien: „Ich hab dir doch gesagt, dass ich das da nicht will! Ich wollte das andere da drüben!“ Mit einem enormen Zeigefinger deutete sie auf das Produkt neben dem, das ihr Mann fälschlicherweise aus dem Regal gezogen hatte. Da würde ich doch einfach mal ganz frech antworten: „Beweg‘ deinen massiven Hintern aus dem Wagen und hol‘ dir deinen Kram gefälligst selber!“ Ja, das mag bösartig sein.

Aber ich bin wirklich ganz schön erschüttert: Außer in diesen tollen, völlig überdrehten US-Shows im Fernsehen habe ich noch nie in meinem Leben so dicke Menschen gesehen. Da mich Klamotten-Shopping unglaublich entspannt, steuerte ich nach der Fressmeile ein entsprechendes Geschäft an, um mich ein wenig von dem soeben erlebten Schock zu erholen. Hey, ich darf das! Das ist schließlich mein Urlaub und ich bin eine Frau. Und was wäre mein Urlaub ohne Shopping? Gesagt, getan. Alle Angestellten waren ganz außerordentlich – man könnte auch sagen entsetzlich – freundlich zu mir und tanzten engagiert um mich herum, um mir Kleidung zu bringen oder mich ungebetenerweise zu beraten. Ja, es war für meinen nüchternen deutschen Geschmack ein wenig zu viel, aber ehrlich gesagt auch nicht gänzlich unangenehm.

An der Kasse angekommen, bewunderte ich die Seelenruhe, mit der ein etwa 100 Jahre alte Kassierer meine sechs Teile scannte. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass meine Ungeduld made in Germany ziemlich strapaziert und ich kurz davor war, ihn zu fragen, ob er Hilfe benötige. Dabei schweifte mein Blick irgendwann zur Kassiererin nebenan ab. Ich hatte ja Zeit. Auch sie war extrem überfreundlich zu ihrer Kundin. Zuerst sortierte sie deren Bündel Rabatt-Coupons aus, sodass die Frau einiges an Geld einsparen konnte. Eine ungewöhnliche Sache für mich. So einen Service habe ich in Deutschland noch nicht erlebt. Ein lustloses „Payback-Karte dabei?!“ ist ja schon das höchste der Gefühle.

Doch dann kam‘s: „Meine Liebe, du willst nicht ernsthaft diese riesige Sonnebrille kaufen, oder etwa doch? Damit verdeckst du fast dein ganzes hübsches Gesicht!“ Nun gut, damit hatte sie tatsächlich recht. Aber ich musste schon schmunzeln beim Gedanken daran, was eine durchschnittliche Kassiererin hierzulande in so einem Fall sagen würde. „Gescheit so, dann sieht man wenigstens deine Visage nicht!“? Oder gar kein Kommentar? Ich meine, die Kassiererin hatte ja nichts davon, die Kundin zu beraten. Im Gegenteil, ihre Aufgabe ist es doch eigentlich, die Leute dazu zu bringen, möglichst viel zu kaufen, statt Dinge wieder zurückzulegen, wenn die Geldbörse schon gezückt ist. Trotzdem hat sie’s getan, und irgendwie hat mir das gefallen. Bestimmt hätte ich an ihrer Stelle meine große Klappe auch nicht halten können und die arme Frau ebenfalls ungefragt mit meiner Meinung behelligt. Ja, ich gestehe, typisch europäisch habe ich die Amerikaner bislang für ein recht oberflächliches Völkchen gehalten.

Nein, nicht alle, aber die meisten eben schon. Dabei ist es ja auch oberflächlich, so zu urteilen. Zumal ich nicht besonders viele und ganz bestimmt nicht alle Amerikaner kenne. Tatsächlich war das Aufeinandertreffen mit der ehrlichen Verkäuferin nur die erste von vielen wunderbaren Begegnungen jenseits des großen Teiches, die mich eines Besseren belehrt haben. Inzwischen bin ich mehr denn je überzeugt davon, dass meine Oma eine ziemlich kluge Frau war. Denn die hat schon vor 20 Jahren gesagt: „Überall auf der Welt gibt es solche und solche.“ Es liegt an einem selbst, mit wem man Kontakt hat und wen man meidet. In jedem Fall ist es besser, erst mal nachzudenken und eigene Erfahrungen zu machen, bevor man den Zeigefinger ausstreckt – egal in welche Richtung.

Sonnige Grüße aus USA eure Diane Feininger

Posted in Ansichtssachen

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